Die Tradition des Zen-Buddhismus, insbesondere der Praxis des Zen, des Zazen, geht bis auf Buddha zurück, der vor ungefähr 2500 Jahren unter dem Bodhibaum sitzend das Erwachen erlangte. Er erwachte zu seiner wahren Natur, zu der Buddhanatur, verbunden mit allen Existenzen und entdeckte den Mittleren Weg - weder Kasteiung noch seinen Leidenschaften frönend. Das ist der Weg, wie man sich von seinen Leiden befreien und das wahre Glück finden kann.
Buddha nannte diese Leiden dukkha und dieser Ausdruck bezeichnet nicht nur das, was man allgemein unter Leid versteht. Auch wenn wir z. B. glücklich sind, so ist dieser Glückzustand von begrenzter Dauer. Und wenn wir ahnen, ihn zu verlieren, fangen wir an, ihn am Leben erhalten zu wollen. Dadurch, dass wir um diesen Glückszustand kämpfen, schlittern wir wieder ins Leiden. Wir können es nicht so akzeptieren, so wie es ist.
Dieses Leiden ist also oftmals subtil versteckt und es bedarf einer kontinuierlichen und beständigen Praxis, um sich davon zu befreien. Das bedeutet allerdings nicht, dass es dann für immer verschwindet. Jeder ist Teil der Buddhanatur, jeder ist diese Buddhanatur, hat aber auch sein Karma. Karma bedeutet Handlung - Handlung der Worte, des Körpers und der Gedanken. Und dieses Karma kann, je nachdem wie wir handeln oder in der Vergangenheit gehandelt haben, Leiden für uns und für andere nach sich ziehen, da alles und jedes wechselseitig voneinander abhängig ist. Die Ursache des Leidens in sich selbst suchen und sich davon befreien, das ist der Weg, den Buddha entdeckte und 45 Jahre lang lehrte.
Die sitzende Haltung, die Haltung, in der Buddha erwachte, wie auch die allgemeine Körperhaltung ebenso wie die geistige Haltung gegenüber alltäglichen Dingen, wurde von Buddha bis zur heutigen Zeit durch die Meister der Weitergabe übermittelt. Die Praxis des Zazen verbreitete sich zunächst in Indien, erreichte dann China und schließlich Japan. Im Jahre 1968 brachte Meister Deshimaru sie von Japan nach Europa. Seit dem Tod von Meister Deshimaru im Jahre 1982 führen seine Schüler, die heute selbst Meister sind, diese Unterweisung fort. In über hundert Dojos dieser Tradition wird heute der Weg der Mitte gemeinsam praktiziert.
Weiterhin gibt es die Möglichkeit auf regionalen Zazen-Tagen (1 Tag), auf Sesshins (3 Tage) und auf längeren Übungsperioden (9 Tage und mehr) u. a. im Tempel La Gendronnière im Loiretal in Frankreich, gemeinsam mit Praktizierenden aus der ganzen Welt seine eigene Praxis zu vertiefen.
Zazen - man setzt sich mit verschränkten Beinen auf ein Kissen, die Knie berühren den Boden. Man legt die linke Hand in die rechte, die Handkanten berühren den Unterbauch. Man sitzt aufrecht und dehnt die Wirbelsäule nach oben hin aus. Man entspannt die Schultern und lässt die Atmung tief werden. Man bleibt aufmerksam auf seine Haltung, seine Atmung und richtet seinen Blick nach innen. Das heißt, man beobachtet seine Gedanken, seine Gefühle und alles was auftaucht, ohne sich daran anzuhaften, ohne Ziel und ohne irgend etwas zu erwarten. Man folgt weder dem, was man liebt, noch widersetzt man sich dem, was man hasst.
So ist Zazen die Praxis der Gegenwärtigkeit und setzt sich im Alltag fort. Man kommt immer auf den gegenwärtigen Augenblick zurück, da man nur jetzt wirklich handeln kann. Selbst Gedanken, die man sich für die Zukunft macht, sind nur hier und jetzt. Selbst die Vergangenheit zu bedauern ist nur hier und jetzt. Man kommt immer wieder auf das zurück, was man hier und jetzt zu tun hat und bleibt auf nichts stehen. Und wenn man hier und jetzt in einer rechten Art und Weise handelt, d. h. ohne Leiden für uns und für andere zu erzeugen, dann hat das Auswirkungen auf die Zukunft. Um recht zu handeln ist es wichtig, dass man im Leben eine starke Wurzel hat, die es ermöglicht uns selbst zu erkennen und zu unserer wahren Natur zurückzukehren, verbunden mit allem, was uns umgibt. Und wenn man nicht zwischen sich und dem, was einen umgibt unterscheidet, kann man zur wahren Stille zurückkehren.
Kinhin ist Zazen im Gehen. Man ist konzentriert auf die Haltung und schreitet voran, im Rhythmus der Ein- und Ausatmung.
(Text von Andreas Rauber)